Buchautor,
Liedermacher
und Kabarettist
PETER MEISSNER
Was wäre Weihnachten ohne festlichen Lichterschein? Nicht nur auf dem Baum
selbst, sondern auch auf Fenstern und Balkonen. Manchmal trägt er aber
seltsame Blüten, der Wettbewerb um die eindrucksvollste …
WEIHNACHTSBELEUCHTUNG (aus dem Buch 'Auch Engel lachen gerne')
Als Herr Obermüller sein kleines Tannenbäumchen im Vorgarten mit ein paar
elektrischen Kerzen schmückte, fand das jeder entzückend. Damals, vor ein paar
Jahren, waren solche Lichter noch etwas Besonderes, und mancher Passant, der an
der beleuchteten Tanne vorüber kam, nahm sich vor, beim nächsten Weihnachtsfest
auch irgend etwas glitzern zu lassen.
Und wirklich. Im darauf folgenden Jahr hatten schon fünf Siedlungshäuser in der
Straße ihre Adventbeleuchtung. Bei Herrn Redlich strahlten die Fensterrahmen, bei
Frau Quapil die Thujenhecke und bei Familie Kargl das Balkongeländer.
‚Lächerlich', dachte Herr Moravec und montierte im nächsten Dezember einen zehn
Meter breiten Lichtervorhang an seiner Dachrinne. Familie Panny übertraf ihn jedoch
mit einem zwei Meter hohen, von innen beleuchteten Weihnachtsmann und Dr.
Sommerhuber mit einer Laser-Lichtkanone, die er bei einem Ärztekongress in Tokyo
erstanden hatte.
Man kann sich vorstellen, mit welcher Spannung die weihnachtliche Lichtershow im
vorigen Jahr erwartet wurde. Kaum machte sich einer der Siedlungsbewohner an
seinem Haus oder in seinem Garten zu schaffen, wurde er von allen anderen
äußerst misstrauisch beobachtet. Die Laserkanone gab's ja inzwischen als
Weihnachtsangebot bei Ikea, und auch mit den blinkenden Krippenfiguren für den
Rauchfang war längst kein Eindruck mehr zu schinden.
Endlich näherte sich der erste Adventsonntag. Familie Rusicka freute sich schon auf
die langen Gesichter der anderen, wenn sie ihren Video-Großbildprojektor in Betrieb
nehmen würde, um ein Weihnachtsvideo mit Pavarotti, Domingo und Carreras an
die gegenüberliegende Feuermauer zu werfen. Familie Rusicka wusste allerdings
nichts vom Feuerwerk, das Familie Pitzelberger vorbereitet hatte und ab 17 Uhr
jeweils zur vollen Stunde zünden wollte. Und alle zusammen hatten sie keine
Ahnung davon, dass der alte Herr Rumpler nur darauf wartete, mit einem
historischen Flak-Scheinwerfer den Stern von Bethlehem in die Wolken zu zaubern.
Es dämmerte. Die Siedlungsbewohner lauerten an ihren Schalthebeln, und da blitzte
auch schon der erste Christbaum auf. Sekundenbruchteile später folgten der Fünf-
Kilowatt-Zauberwald von Diplomingenieur Hübl und die Video-Projektion der
Rusickas. Als der Herr Rumpler seinen Flak-Scheinwerfer in Betrieb nahm, gab es
einen Riesenknall. Das Transformatorenhäuschen der Siedlung explodierte, und
alles lag im Dunkeln. Die Reparaturarbeiten dauerten bis zum 27. Dezember, und es
wurden die stimmungsvollsten Weihnachten, die man jemals erlebt hatte.