Buchautor, Liedermacher und Kabarettist
PETER MEISSNER

KAI-UWE MACHT URLAUB (aus dem Buch ‚Niederösterreichisch für Fortgeschrittene‘)

Es ist ein sommerlicher Vormittag. Kai-Uwe hat sich auf der Wiese hinter seiner

Frühstückspension  in den Liegestuhl gesetzt und die Zeitung aufgeschlagen.

Da sieht er, wie der Nachbar durch den Garten geht. Bei einer Staude bleibt er s

tehen und ruft: „Die Ogrosln san scho zeidi und

ghern obrockt!“

Die Stachelbeeren sind schon reif und gehören gepflückt!

Manche essen Stachelbeeren einfach so, die meisten verwenden sie aber als

Kompott, belegen damit einen Kuchen oder stellen daraus Marmelade her.

Obrocken ist über das Althochdeutsche mit dem Wort abbrechen verwandt.

Die Nachbarin würdigt diesen Satz keiner Antwort, stattdessen sagt sie: „Wennst

scho was tuan wüst: Giaß ma mit‘m Aumpa die Bauscharln!“

Gieße mir mit der Kanne die Grünen Bohnen!

In diesem Fall handelt es sich also um einen Gießamper. Gebräuchlich ist

aber auch der Mülliaumper, also der Milchamper, eine Kanne aus Blech mit

beweglichen Henkeln. Die korrekte hochdeutsche Übersetzung der Bauscharln

wäre Bohnenschoten. In Österreich nennt man sie meistens Fisolen.

„Oba noch g’scheiter wär, du setzt di schnö auf’s Radl. Foahr bitte zur Kräutlerin und

bring ma a poa Murkerl, Bramburi und an Radi mit!“

Fahre bitte zur Gemüsehändlerin und bringe mir ein paar Möhren, Kartoffeln

und einen Rettich mit!

Möhren sind Karotten. Dass man sie auch als Murkerln bezeichnet, kommt

daher, dass sie auf Tschechisch mrkev heißen. Und aus dieser Sprache kommt

auch das Wort Bramburi. Es leitet sich wiederum von den Brandenbur-gern ab,

den in Deutschland ab der Mitte des 18. Jahrhunderts forciert angebauten

Kartoffeln.

„Und a Kilo Marün, die brauch i für a Marmelad!“

„Wer waß, ob s’ scheene hot?“, wendet der Mann ein, aber sie stellt fest: „Do is nix

vahockt, dera ihre Marün nimm i ung’schaut!“

Das kann kein Fehler sein, ihre Aprikosen (= Marillen) nehme ich, ohne sie

gesehen zu haben!

Auch der menschliche Kopf wird manchmal als Marün bezeichnet oder als Birn.

Das hat aber dann einen etwas abwertenden Sinn, insbesondere, wenn die

Marün auch noch als hinich bezeichnet wird, also als kaputt.

Kai-Uwe zückt seinen Notizblock, den er immer bei sich hat. Da waren gerade

wieder einige Vokabeln, die er sich merken will.